Liebe Mia,
seit 15 Jahren bist du meine beste Freundin. Jetzt sollst du gehen. Und ich habe Angst.
Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben kann, nach all dieser Zeit. Immer warst du für mich da, als einzige. Du hast mich beschützt, begleitet, mir Freiraum verschafft, mir die Erwartungen anderer Menschen vom Halse gehalten. Du hast mich getröstet, mich amüsiert, mich beschäftigt, warst bei mir, wenn ich einsam oder traurig war. Mit niemandem wollte ich mehr Zeit verbringen als mit dir - und mit niemandem habe ich mehr Zeit verbracht. Ich habe dich mehr geliebt als meine Freunde, meine Eltern, meinen Mann, und sogar (oder insbesondere?) mich selbs.
Aber jetzt habe ich ein Baby. Ein entzückendes, acht Monate altes baby girl, und wie kann mir irgendetwas wichtiger sein als sie?
Aber jetzt habe ich ein Baby. Ein entzückendes, acht Monate altes baby girl, und wie kann mir irgendetwas wichtiger sein als sie?
Denn ja, du hast mich vereinnahmt. Du hast meine komplette Zeit, meine Energie, mein Geld sogar für dich beansprucht, und selbst wenn du nicht präsent warst, so habe ich an dich gedacht, warst du permanent, immer in meinen Gedanken. Du hast mich ausgenutzt, du konntest mich in jede beliebige Richtung manipulieren. Wenn du sagtest, "spring!", dann habe ich schon Anlauf genommen. Du hast nicht mein Bestes im Sinn, sondern dein eigenes.
Irgendwo, auf halber Strecke, ist dir dein Auftrag, das, was unsere Freundschaft eigentlich ausgemacht hat, abhanden gekommen. So, wie einem Regierungschef die Macht zu Kopfe steigen und einen Despoten aus ihm machen kann, so hast du hinter deiner Maske der ehrlichen, mitfühlenden Freunding ein Monster versteckt.
Von den meisten Mördern sagt man hinterher auch. "Das hätte ich dem nie zugetraut! Der war immer so nett!"
Mia, ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll. Ich sehe diese gähnende, allesverschlingende Leere, wo bis gestern du dich befandest. Ich sehe eine endlose Reihe Wäsche, schmutziger Küchenfußböden und ungeputzter Bäder. Ich fühle große Müdigkeit, und ich fühle rasende Wut, auf meinen Mann, auf mein Baby! Weil ich dich ihnen opfern muss. Und ich fühle Trotz: wehe, wenn jetzt einer sagt, "na endlich ist sie zur Vernunft gekommen - braves Mädchen!" Oh, wenn ich nur daran denke! Innerlich sehe ich mich aus dem Fenster meines Zimmers klettern, heimlich, hintenrum, meinen Willen durchsetzen: jetzt erst recht! wer nimmt sich das Recht, mir vorzuschreiben, wen ich wann treffe? wer in mein Leben gehört? wer gut für mich ist? In herablassendem, mitleidigem Tonfall. "Jaja, sie wußte es halt nicht besser, aber nun hat sie gelernt. Jetzt tut sie, was wir wollen."
Aber ich weiß, dass es eigentlich so nicht ist. Dieser Trotz, dazu gibt es ein englisches Sprichwort: "To bite one's nose to spite one's face". Sich die Nase abbeißen, um das Gesicht zu bestrafen. Wen strafe ich? Doch nur mich.
Und trotzdem, ich habe solche Angst. Angst auch vor dem Rest der Clique, die über mich herfallen wird, wenn du nicht mehr in vorderster Front stehst.
Natürlich, ich kann andere Freunde finden, ich werde andere Freunde finden, welche, die wirklich mein Bestes im Sinne haben, die mich untertützen und stärken, nicht abhänigig machen. Aber bis ich sie gefunden, bis ich Vertrauen gefasst habe, bis dahin bin ich mutterseelenallein. Und ich weiß, du wirst dich wehren.Du wirst anrufen, vor der Tür stehen, mich mit SMS und Emails bombadieren, und ich werde standhaft bleiben müssen. Selbst wenn das das letzte ist, was ich tun möchte.
Mia, ich vermisse dich schon jetzt.
in Liebe,
Blume
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen